Der Weise und das Wasser

Einen Weisen im alten China fragten einmal seine Schüler: "Du stehst schon so lange vor dem Fluss und schaust ins Wasser. Was siehst du denn da?"

Der Weise gab keine Antwort. Er wandte seinen Blick nicht ab von dem unablässig strömenden Wasser. Endlich sprach er: "Wohin es fließt, bringt es Leben und teilt sich aus an alle, die seiner bedürfen. Es ist gütig und freigebig. Die Unebenheiten des Geländes versteht es auszugleichen. Es ist gerecht. Ohne seinen Lauf zu zögern stürzt es sich über Steilhänge in die Tiefe. Es ist mutig. Seine Oberfläche ist glatt und ebenmäßig, aber es kann verborgene Tiefen bilden. Es ist weise. Felsen, die ihm im Lauf entgegen-stehen, umfliest es. Es ist verträglich. Aber seine sanfte Kraft ist Tag und Nacht am Werk, das Hindernis zu beseitigen. Es ist ausdauernd.

Wie viele Windungen es auch auf sich nehmen muss, niemals verliert es die Richtung zu seinem ewigen Ziel, dem Meer, aus dem Auge. Es ist zielbewusst. Und so oft es auch verunreinigt wird, bemüht es sich doch unablässig, wieder rein zu werden. Es hat die Kraft, sich immer wieder zu erneuern. Das alles“, sagt der Weise, “ist es, warum ich auf das Wasser schaue."